Eberhard Nehlsen: Zürcher Liedflugschriften Katalog der bis 1650 erschienenen Drucke in der Zentralbibliothek Zürich. Redaktion: Christian Scheidegger. 2021. 520 Seiten, 119 Abbildungen. Leinen. ISBN 978-3-87320-756-1 € 148,--
Bibliotheca bibliographica Aureliana 256

Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in der Mitte des 15. Jahrhunderts leitete eine epochale Umwälzung ein: schriftliche Dokumente konnten nun massenhaft gedruckt und verbreitet werden. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts erfasste die Medienrevolution auch Lieder, die zuvor in der Regel mündlich tradiert und nur selten schriftlich fest gehalten worden waren. Sie wurden in Form von Einblattdrucken oder kleinen Heften, den Liedflugschriften, mit meist vier oder acht Blättern Umfang und in der Regel auch ohne Noten gedruckt. Lieder wurden ein zu einem kommerziellen Produkt, das massenhaft von geschäftstüchtigen Druckern und Kolporteuren für ein sangesfreudiges Publikum bereit gestellt wurde. Die Reformation beflügelte nicht nur die Produktion von zahllosen Flugschriften wie etwa Prosatraktaten oder propagandistischen Pamphleten, sondern auch die Herstellung von Lieddrucken, denn die neuen geistlichen Lieder waren sehr beliebt und trugen zur Verbreitung der neuen Bewegung bei.

Anders als die Sammlung in Berlin stützt sich der Zürcher Bestand im Wesentlichen auf die regionale Produktion von Liedflugschriften aus den Druckereien von Basel, Bern und Zürich. Der Schweiz-Bezug spiegelt sich auch in den Themen der Lieder wieder, es gibt viele Lieder zur Geschichte und zu aktuellen Ereignissen in der Eidgenossenschaft, aber auch die Geschehnisse außerhalb der Schweiz werden behandelt, vor allem militärische und politische Auseinandersetzungen wie die der Niederländische Aufstand oder der Dreißigjährige Krieg. Im breiten Spektrum der geistlichen Lieder dominieren die Lieder evangelischer Provenienz, auch hier sind Schweizer Dichter wie Benedikt Gletting und auch Ulrich Zwingli prominent vertreten.

Die Zentralbibliothek Zürich besitzt mit 577 Drucken die größte Sammlung von Liedflugschriften in der Schweiz, mehr als 70% der Liedflugschriften in der Zentralbibliothek Zürich sind nur hier vorhandenen.

Inhaltsverzeichnis / table of contents über die Deutsche Nationalbibliothek.

Addenda et corrigenda (Stand 28. Juni 2022) zu diesem Band

Bibliography of broadsheet song pamphlets until 1650 held in the Central Library (Zentralbibliothek) Zurich. The invention of printing with movable type in the middle of the 15th century ushered in an epochal upheaval and documents could be printed en masse. By the end of the 15th century also songs were printed in small pamphlets for private use, en masse. The Library holds the larges collection of broadsheet song pamphlets in Switzerland, 70% of the broadsheets can only be found in this library.

»Niemand kennt dieses Quellenkorpus im deutschsprachigen Raum besser als der Oldenburger Musikwissenschaftler Eberhard Nehlsen. Seit Jahrzehnten durchforstet er quasi im Alleingang Bibliotheken und Archive in Deutschland und in der Schweiz (weniger in Österreich), bibliographiert und katalogisiert die teils als Einzeldrucke oder in Sammelbänden vorliegenden, teils in Manuskriptkonvoluten inserierten Liedflugschriften. [...] Mit dem vorliegenden Band legt Nehlsen nun in Zusammenarbeit mit Christian Scheidegger einen Katalog der Liedflugschriftenbestände der Zürcher Zentralbibliothek vor, der mit 572 Titel rein mengenmässig zwar nur ein Viertel des Berliner Bestandes ausmachen, aber zahlreiche Unica enthalten und zugleich die eidgenössische Liedüberlieferung abzubilden vermögen. [...] Die Katalogdaten zu den einzelnen Titeln zeugen von einer wahrhaft herkulischen bibliographischen Arbeit. Eberhard Nehlsen beschreibt nicht nur Druckformate, Titelillustration, Melodieangaben und Inhalte, sondern gibt auch Druckvarianten an und weist aus, welche weiteren Bibliotheken neben der Zentralbibliothek Zürich den entsprechenden Titel halten. [...] Der aufgenommene Quellenbestand wird überdies durch detaillierte Register zu Autoren, Druckern, Liedanfängen, Personen und Sachthemen erschlossen. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Register der verwendeten Kontrafrakturtöne, in dem auf die Melodieangaben in den einschlägigen musikwissenschaftlichen Referenzwerken verwiesen wird. Dadurch wird das Korpus nicht nur einer akademischen Rezeption zugänglich gemacht, sondern kann möglicherweise aus als Grundlage für eine historisch informierte und reflektierte Aufführungspraxis dienen.«
Jan Friedrich Missfelder in Zwingliana 49 (2022) Seiten 206-209

»Eberhard Nehlsen, der Erforscher der Liedflugschriften, legt nach dem Katalog der Berliner Liedflugschriften nun einen weiteren gewichtigen Band mit den einschlägigen Beständen der Zentralbibliothek Zürich vor. In der Einführung handelt er von der Überlieferung und der Materialität der Drucke, von Druckorten und Druckern (...) und skizziert die Geschichte ihrer Erforschung.
Angesichts der Tatsache, dass es bisher kein Verzeichnis der Liedquellen der frühen Neuzeit gibt (...), ist die Pionierarbeit Nehlsens gar nicht hoch genug zu würdigen. Auf sein großes Gesamtwerk darf man mit Recht gespannt sein.«

Johannes Schilling in der ThLZ 146 (2021) 11, 1081f

»Eberhard Nehlsen, der anerkannte Spezialist für die Verzeichnung von Flugschriftenliteratur und ausgewiesene Kenner dieser literarischen Gattung (...), brachte in Zusammenarbeit mit Christian Scheidegger, dem stellvertretenden Leiter der Rara-Abteilung der Zentralbibliothek Zürich (...), ein Nachschlagewerk heraus, das für die bibliographische Erschliessung, die Bearbeitung und bessere Kenntnis der Textsorte Massstäbe setzt. Der Erwerb des vorliegenden Katalogs sei auf internationaler Ebene grösseren Bibliotheken für ihre Präsenzbestände empfohlen. (...)
Summa summarum lässt der vorgestellte Katalog kaum Wünsche offen.«

Hanspeter Marti in SZRKG/RSHRC/RSSRC, 115 (2021), 471-473

»The catalogue concludes with several extremely useful indexes including first lines, melodies, titles, authors, printers by location, provenance, and cited references. This scholarly work is well-conceived and clearly laid out, and anyone interested in studying folk songs in chapbooks from the early modern period would find it a very useful starting point.«
John Roger Paas in Informationsmittel für Bibliotheken ID 10836

»À souligner ici que la plupart des Liedflugdrucke de la Zentralbibliothek sont d'une grande rareté, voir unique. Cette production, vendue à l'époque à la criée par des colporteurs dans les ruelles et sur les marchés, s'est en effet très mal conservée, ayant un caractère aussi éphémère que celui de nos catalogues de vente. Des exemplaires les plus rarissimes décrites dans la présente bibliographie il existe généralement une reproduction de la page de titre. «
Reinhard Bodenmann dans la Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance Tome LXXXIII (2021), pp 600-608.

Siehe auch:

Berliner Liedflugschriften. Die Liedflugschriften der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz. Katalog der bis 1650 erschienenen Drucke. Bearbeitet von Eberhard NEHLSEN, herausgegeben von Gerd-Josef Bötte, Annette Wehmeyer und Andreas Wittenberg. 3 Bände, Leinen. ISBN 978-3-87320-715-8
Bibliotheca bibliographica Aureliana 215-217

Manfred Vischer: Bibliographie der Zürcher Druckschriften des 15. und 16. Jahrhunderts, erarbeitet in der Zentralbibliothek Zürich. 1992. 558 Seiten. ISBN 978-3-87320-124-8
Bibliotheca bibliographica Aureliana 124

Manfred Vischer: Zürcher Einblattdrucke des 16. Jahrhunderts. 2001. 256 Seiten, 24 Abbildungen. ISBN 978-3-87320-185-9
Bibliotheca bibliographica Aureliana 185

Inkunabelkatalog der Zentralbibliothek Zürich. Herausgegeben von Christian Scheidegger unter Mitarbeit von Belinda Tammaro. 2 Bände, Leinen. 2008-2009. IV, 784 Seiten, 119 Abbildungen, 32 Farbtafeln. ISBN 978-3-87320-720-2 / 978-3-87320-723-3
Bibliotheca bibliographica Aureliana 220 & 223

Rolf Wilh. Brednich: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jahrhunderts I: Abhandlung. II : Katalog der Liedflugblätter des 15. und 16. Jahrhunderts. 2 Bände. 1974 / 1975. 336 & 298 Seiten, 146 Abbildungen. ISBN 978-3-87320-055-5
Bibliotheca bibliographica Aureliana 55/60:

Sowie:
Urs B. Leu / Sandra Weidmann: Der bibliophile Reformator. Rudolf Gwalthers Privatbibliothek. 2020. 348 Seiten, 36 Abbildungen. Leinen.Bibliotheca bibliographica Aureliana 255

Kurt Jakob Rüetschi: Verzeichnisse zu Rudolf Gwalther (Walther, Gualtherus Tigurinus, Walthart) Vater (1519-1586) und Sohn (1552-1577). Band 1 in zwei Teilbänden: (1) Einleitung, Briefwechsel-Verzeichnis. 632 Seiten, 1 Abbildung. (2) Register. 212 Seiten, 1 Abbildung. ISBN 978-3-87320-753-0 / 978-3-87320-754-7
Bibliotheca bibliographica Aureliana 253 & 254