SAECVLA SPIRITALIA   34 / 35

Gert HÜBNER: Frauenpreis. Studien zur Funktion der laudativen Rede in der mittelhochdeutschen Minnekanzone. 2 Bände. 1996. 570 Seiten.

Minnesang konzipiert die Liebe als ethisches Modell, das bestimmte Verhaltensziele und Verhaltensmuster als vorbildlich darstellt. Das wichtigste Verhaltensziel ist die Freude, die durch eine erfüllte Minnebeziehung zustande kommt. Der Frauenpreis dient in allen Varianten der Minnekanzone dazu, den Wert der Liebe aus den Werten abzuleiten, die den Liebenden zukommen. Der Frauenpreis spielt seine Rolle in der Kanzone in der Regel in deduktiven Argumentationsmustern; das heißt, es wird ein allgemein gültiges Modell statuiert oder unterstellt und auf einen konkreten Einzelfall angewandt.
Wer in der Forschungsliteratur nach Antworten auf die Frage sucht, welche Rolle der Frauenpreis in der Minnekanzone spielt, findet eine relativ einfache, seit langer Zeit vertretene und oft wiederholte Auffassung vor: Der Frauenpreis steigere die Qualitäten der Minnedame (und der Frauen im allgemeinen) ins Hypertrophe und transzendiere die Minnedame (und die Frauen im allgemeinen) zu einem unerreichbaren Ideal; er projiziere dabei die Wertvorstellungen der höfischen Kultur dergestalt auf die Frauen, dass sie den Rang eines säkularen summum bonum erhalten; der hypertrophe Frauenpreis mache die transzendierte Minnedame für den Liebenden erst recht unerreichbar und sorge damit nachgerade dafür, dass die hohe Minne unerfüllt bleiben müsse. Wenn das uneingeschränkt gültig wäre, müsste man im Minnesang ständig auf exzessiv amplifizierten und ornierten Frauenpreis stoßen.
In seiner Arbeit untersucht Hübner in drei zeitlich abgegrenzten Teilen minutiös die Grundtypen und Modelle der laudativen Rede bei Meinloh von Sevelingen, Dietmar von Aist, Friedrich von Hausen, Heinrich von der Veldeke, Rudolf von Fenis, Albrecht von Johansdorf, Hartmann von Aue, Heinrich von Rugge, Reimar, Heinrich von Morungen, Walther von der Vogelweide und Ulrich von Lichtenstein. Mit Analysen der Lieder und ihrer verschiedenen Fassungen, einem Anhang zur Metaphorik in Morungens Liedern, Registern.

»Der Gewinn der Studie liegt nicht allein in der Widerlegung inhaltsbezogener Klischees, die in der neuen Forschung schon mehrfach hinterfragt wurden, auf breiter Textbasis (sie ’Transzendierung‘ der Dame, das Minneparadox- und Sublimierungsaxiom), sondern generell in der Abkehr von inhaltlich-konzeptionellen Kriterien als den übergeordneten, die zusammen mit der Homogenisierung der Beschreibungsbegriffe zum Modell eines kotinuierlichen Prozesses vom hoch- zum spätgotischen Minnesang, nicht einer ’nachklassischen Wende‘, führt. Der »Versuch, das System in seiner Diachronie nachzuvollziehen« überzeugt.«
Margreth Egidi in Arbitrium 2/1999, Seite 164f.

»An introductory chapter helpfully surveys the fundamental concepts, themes, and arguments of ’courtly love‘. The real value of the study lies in the detailed analyses of the laudative elements in different poets: following a section on the early Minnesänger the most substantial treatment is reserved for Reinmar, Morungen, and Walther, while Ulrich von Lichtenstein is chosen to exemplify the postclassical development. The often detailes annotations are conveniently printed in a second volume, which includes a tabulated summary of Morungen's metaphorical.«
Modern Language Studies
59 (1997) pp. 691f.

siehe auch:
ARTIUM CONJUNCTIO. Kulturwissenschaft und Frühneuzeit-Forschung. Aufsätze für Dieter Wuttke.

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